Roboter im Gewächshaus

Mit einem ausgeklügelten System zur Phänotypisierung von Mais- und Rübenpflanzen erforscht KWS das komplexe Merkmal Trockenstress.

Manchmal erinnert Forschung an ein Videospiel: Die Mannschaft, die Ben Gruber mit dem Laptop durch das Gewächshaus steuert, steht schon in den Startlöchern. Die Spielzüge und Laufwege seines interaktiven Teams hat der KWS Biologe vorher genau festgelegt: Welcher Roboter verlässt wann seine Position, um einen der nummerierten Pflanzentische anzufahren? Und in welcher Reihenfolge werden die Pflanzen zu den verschiedenen Stationen der Versuchsreihe gebracht?

Eine vorausschauende Taktik ist für den reibungslosen Ablauf unerlässlich. Die Vielzahl von Pflanzentischen ist für das Forschungsprojekt nötig, an dem Biologen und Physiker der KWS gemeinsam arbeiten. Ihr Ziel ist es, Mais- und Zuckerrübenpflanzen im Gewächshaus zu phänotypisieren. Das bedeutet, dass deren äußeres Erscheinungsbild – der so genannte Phänotyp – detailliert vermessen und analysiert wird. So kann der Einfluss von Umweltfaktoren, aber auch von den genetischen Ressourcen der Pflanze erfasst werden.

Ben Gruber und seine Kollegen beschäftigen sich dabei mit einem für Landwirte besonders drängenden Thema: Sie erforschen jene Merkmale, die im Zusammenhang mit Trockentoleranz stehen. „Wir wissen noch nicht, welche Gene Pflanzen bei Trockenstress aktiv einschalten“, erklärt der Biologe. Dieses tiefgehende Verständnis sei jedoch wichtig, um die Züchtung trockentoleranter Sorten auch in Zukunft bestmöglich zu unterstützen.

Während digitale Lösungen draußen auf dem Feld längst verbreitet sind, ziehen diese nun auch vermehrt in den geschützten Bereich des Gewächshauses ein: Die flachen, auf den ersten Blick unscheinbaren „lowpad“-Roboter erinnern an fahrbare Hebebühnen. „Was sich in den Logistikzentren des Online-Versandhandels bewährt hat, funktioniert auch hier bei uns“, erklärt Ben Gruber. Die Roboter, die er für das Versuchsprojekt ausgewählt hat, bieten mehr Flexibilität als beispielsweise Förderbänder. Damit sind sie optimal geeignet, um die mehr als 50 Kilogramm schweren Pflanzentische zu den verschiedenen Stationen im Gewächshaus zu fahren.

Die Mais- und Rübenpflanzen werden regelmäßig gewogen. So kann ihr Wasserverbrauch über den gesamten Tag ermittelt werden. Die Transpiration wird im Anschluss mit weiteren Daten kombiniert. Eine Sensorik an der Decke misst die vorhandenen Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede. „Parameter wie diese sind für die Blattspaltenöffnung und damit für den Wasserverbrauch der Pflanze entscheidend“, erläutert Ben Gruber. „Mit unserem Ansatz wollen wir besser verstehen, wie die Pflanzen auf bestimmte Bedingungen reagieren und warum beispielsweise die Blattspaltenöffnung unterschiedlich schnell erfolgt.“

Um diese und andere Fragestellungen wie etwa Ertragsbau und Ertragsphysiologie zu klären, nehmen die KWS Forscher optische Merkmale der Pflanze unter die Lupe. Sie beobachten unter anderem, wie sich deren Form, Größe und Gewicht während der pflanzlichen Entwicklung verändern. Dazu bringen die Roboter die Pflanzentische zu einer weiteren Station: der so genannten PhenoFactory.

Vor der blauen Wand im Inneren hebt sich das Grün der Pflanzen besonders deutlich ab. Sobald die Roboter die Pflanzentische in die richtige Position gebracht haben, lösen die Kameras in der PhenoFactory automatisch aus. Durch die Aufnahmen wird der Wassergehalt der Pflanzen sichtbar. Dazu werden sie von allen Seiten gescannt, um Informationen aus verschiedenen Perspektiven zu erhalten. Ben Gruber: „Die Technik ermöglicht es uns, Daten 24 Stunden pro Tag an 365 Tagen im Jahr zu sammeln. Diese hohe Testfrequenz ist wichtig, um eine gute Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen.“

Diese Vergleichbarkeit wird bereits vor Beginn des Versuchs, bei der Aussaat der Pflanzen, beeinflusst. Daher ist es wichtig, die richtigen Vorkulturen auszuwählen, um später etwa im Hinblick auf die Größe möglichst homogene Pflanzen mit genetisch identischen Merkmalen untersuchen zu können.

Aus der PhenoFactory bringen die Roboter die Pflanzentische zurück zu ihren Plätzen. Dann fahren sie wieder auf ihr Startfeld, wo sie auf den nächsten Einsatz warten. „Die Technik unterstützt uns bei unserer Forschung – doch Know-how und Erfahrung kann sie nicht ersetzen“, sagt Ben Gruber. Insbesondere bei der Analyse der gesammelten Daten sei menschliche Expertise weiterhin unverzichtbar.

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Christina Schulze
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