Die Resistenzzüchtung bei Zuckerrüben braucht immer ein neues Ass im Ärmel

Die kleine französische Stadt Pithiviers südlich von Paris ist bei den Züchtern von Zuckerrüben berüchtigt. In der Region gibt es viele und besonders aggressive Varianten jenes Virus, das bei Zuckerrüben die gefürchtete Krankheit Rizomania auslöst. Zugleich ist die Gegend aber ein guter Ort, um neue Resistenzen gegen die Schaderreger zu testen. Zu diesem Zweck hat auch KWS in der Nähe mehrere Versuchsfelder gepachtet. Aber bevor sich neue Pflanzen auf diesem schwierigen Terrain bewähren können, haben die Resistenzzüchter um Werner Beyer viel zu tun.

Der Grund: Zuckerrüben sind so etwas wie ein Schlaraffenland für Schadorganismen: In allen Entwicklungsstadien, von der Aussaat bis zur Ernte, bietet die zuckerreiche Wurzel viel Nahrung für Pilze, Viren, Fadenwürmer und Insekten. Die Resistenzzüchter haben daher alle Hände voll zu tun, das Saatgut und die sich daraus entwickelnden Pflanzen vor dem Befall zu schützen. Schließlich ist eines der Hauptziele von KWS, Landwirten bestes Saatgut für hohe Erträge zu liefern. Die Pflanzen sollen über die gesamte Zeit des Wachstums – meist sind es 180 bis 220 Tage – gesund und widerstandsfähig bleiben. „Dabei ergänzen sich Pflanzenschutz, zum Beispiel in Form der auf die Pillenhüllmasse aufgetragenen Pflanzenschutzmittel, und natürliche Resistenzen der Pflanzen in idealer Weise“, erklärt Beyer.

Stark gegen Krankheitserreger

Hauptaufgabe der Resistenzzüchtung ist es, die zukünftigen KWS Sorten für die jeweiligen Anbauregionen mit den wichtigsten Resistenzgenen auszustatten. Die Sorten sollen sich möglichst selbst gegen Krankheitserreger oder Schädlinge schützen. Dann müssen auch weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Resistenzzüchtung ist besonders wichtig bei solchen Krankheiten, gegen die gar keine chemischen oder biologischen Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Eine solche Krankheit – weltweit sogar die wichtigste Krankheit der Zuckerrübe – ist die viröse Wurzelbärtigkeit (Rizomania). Sie wird durch das „beet necrotic yellow vein virus“ (BNYVV) verursacht, das sich bereits in jungen Keimlingspflanzen einnisten kann. Ziel des Virus ist es nicht, die Rübe absterben zu lassen. Vielmehr will sich der Erreger als Parasit in ihr vermehren. Erst die Resistenzzüchtung machte es möglich, dass unter Starkbefall – zum Beispiel in Italien oder Süddeutschland, aber auch in Kalifornien und vielen anderen Regionen – überhaupt noch Zuckerrüben angebaut werden können. Aktuell werden rizomaniaresistente Sorten auf einem großen Teil der weltweiten Anbaufläche benötigt.

Evolution der Viren geht voran

Die meisten Zuckerrübensorten tragen heute Resistenzgene, die die Pflanzen gegen den Virusbefall schützen und nur eine geringe Virusvermehrung erlauben. Resistenz gegen Rizomania gehört quasi zur Grundausstattung jeder Zuckerrübensorte von KWS. Aber die Evolution der Viren schreitet naturgemäß voran. Sie können ihre Eigenschaften durch Mutationen verändern und die vormals resistenten Rüben dann doch wieder befallen. Dann ist von Resistenzüberwindung oder Resistenzbruch die Rede. Tatsächlich sind seit einigen Jahren Virusstämme bekannt, die die Rz1 (Holly)-Resistenz der Zuckerrübe überwinden und sich in vermeintlich resistenten Pflanzen vermehren können. „Besonders Felder in den Niederlanden sind betroffen“, erklärt Beyer.

Das Züchtungsziel: schneller zu sein als die Erreger

Die Resistenzzüchter bei KWS hatten bei der ersten Resistenzüberwindung des Rz1-Gens jedoch bereits eine Alternative parat: Etwa seit dem Jahr 2000 wurde eine weitere Resistenz aus der Wildrübe Beta maritima schrittweise in den Genpool von KWS eingekreuzt. Diese wird in einigen Märkten in Kombination mit Rz1 unter dem Namen „RZ2.0“ vermarktet und bietet einen besonders guten Schutz bei Rizomania-Starkbefall.

„Wichtig ist, dass die Züchter nicht erst dann eine alternative Resistenz aus dem Hut zaubern, wenn eine Resistenz schon durchbrochen ist, sondern auf eine solche Situation möglichst frühzeitig vorbereitet sind. Schließlich dauert es oft zehn Jahre und länger, bis eine neue Resistenzquelle in marktfähige Sorten eingekreuzt wurde“, sagt Beyer. Daher suchen Züchter nach alternativen Resistenzquellen, um die vorhandenen Abwehrquellen abzusichern. Bei alledem hilft es, dass die seit mehr als 160 Jahren familiengeführte KWS finanziell unabhängig ist und in Zeiträumen von Dekaden denken und handeln kann. Damit können Landwirte auch in den nächsten Jahrzehnten gut angepasste und resistente Sorten erwarten.

Züchtung unter Zeitdruck

Dennoch ist es oft nur eine Frage der Zeit, bis auch neue Resistenzen überwunden werden. Manche Resistenz, etwa das Rz1-Resistenzgen gegen Rizomania, hat über viele Jahre standhaft gehalten und auch die Ausbreitung der resistenzüberwindenden Virusstämme erfolgt sehr langsam. Bei Pilzen, die sich oft sehr schnell und stark vermehren und mehrere Generationen Nachkommen pro Jahr produzieren, kann der Prozess aber auch sehr schnell erfolgen und oft nur wenige Jahre dauern. Der Faktor Zeit spielt auch im Wettbewerb mit den anderen Züchtungsunternehmen eine bedeutende Rolle. Je schneller und effizienter KWS neue Resistenzen einkreuzen kann, desto eher profitieren Landwirte von neuen, innovativen Produkten.

Wo findet man neue Resistenzquellen?

Für viele Krankheiten gibt es bekannte Resistenzquellen. Zusätzlich untersuchen die Züchter oft auch Wildrüben aus Genbanken auf der Suche nach neuen Resistenzgenen. Ein solcher Prozess dauert manchmal viele Jahre, um eine neue Resistenz genetisch zu fixieren und ihre Vererbung zu analysieren. Manchmal finden sich Resistenzgene im klassischen Basismaterial, so beispielsweise für Resistenz gegen den echten Mehltau, den Rübenrost und auch viele andere Schadpilze.

Bei alledem ist Züchtung immer Teamwork: Das Zusammenspiel mehrerer Zuchtprogramme und die Kombination verschiedener Resistenzen macht am Ende die Sorte aus, die auf den Markt kommt. Dies alles macht es notwendig, dass die Experten von KWS stets auf der Suche nach neuen Versuchsfeldern mit Starkbefall sind. Auch die Pachtverträge für die Versuchsfelder um Pithiviers werden wohl noch einige Male verlängert werden müssen.

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Stephan Krings
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