Umgang mit der Ungewissheit – Johnny Linders „Dealing with uncertainty“ in der NEWCOMER KWS Art Lounge

Einbeck, 25.08.2022

Kameralose Fotografie steht seit dem 25. August im Mittelpunkt der neuesten Ausstellung in der NEWCOMER KWS Art Lounge in Einbeck. Die fotografischen Bilder von Johnny Linderentstehen auf dem chemischen, physikalischen Weg ohne den Einsatz einer Kamera. „Anstatt illusionäre Momentaufnahmen der Realität zu fixieren, suche ich nach Bildern, die sich mit Materialität, Haltbarkeit und Zeit beschäftigen“, sagt der Künstler. Er zeigt den Umgang mit Ungewissheit. Johnny Linder nutzt die technischen Prozesse der Bildwerdung, experimentiert mit verschiedenen Papieren und lichtempfindlichen Chemikalien. „In einem instabilen Medium entstanden, sind meine Arbeiten Visualisierungen von nur für kurze Zeit bestehenden vergänglichen Prozessen“, sagt Linder. Unter dem Titel „Dealing with uncertainty“ sind Linders Werke bis zum 1. Oktober in den Räumen von NEWCOMER in der Tiedexer Straße zu sehen.

Johnny Linder

Johnny Linder

Im Suchen und Erzeugen von Bildern auf der Grundlage von photosensiblen Materialien, graphischen und performativen Prozessen beschäftigt sich Johnny Linder mit Themen des Unwägbaren und Relativen. Die Bilder verfolgen eine eigene, unkontrollierbare Dynamik.

Der Kunsthistoriker Alexander Leinemann (Göttingen) plädierte bei der Vernissage dafür, die Fotografie in der Kunst nicht immer mit Zusätzen zu versehen, um ihr Wertigkeit zukommen zu lassen. „Fotokunst“ sei nicht notwendig, denn schließlich spreche ja auch niemand von „Malereikunst“. Alexander Leinemann: „Das ist Fotografie, ohne Wenn und Aber.“ Und Fotografie könne mehr als realbefindliche Abbilder zu schaffen. Die Ausstellung von Johnny Linder zeige, zu welchen Möglichkeiten das Medium imstande sei. „Ein stilles Bild ist erst dann interessant, wenn ich selbst hinterfragen muss und merke, dass es nicht die eine perfekte Antwort geben wird“, sagte Alexander Leinemann. Die Fotografie von Johnny Linder schaue nach vorne und zeige nicht etwas Abgeschlossenes, nicht nur eine visuelle Präsenz. „Kunst funktioniert dann, wenn sie uns zum Nachdenken bringt über viel größere Dinge als kleinformatige Bilder in materieller Form“, sagte der Kunsthistoriker, der für das Sprengel-Museum Hannover arbeitet.

Vergänglichkeit ist das Thema der Installation im vorderen Raum der KWS Art Lounge NEWCOMER. „Ich habe einfach Dinge während des Entwickelns nicht fixiert – und dadurch bleiben sie im Entwicklungsprozess“, schildert Johnny Linder. „Es sind Bilder, die sich auch in ihrer Farbigkeit nach und nach verändern werden.“ Er stellt in der Ausstellung Prozesse aus, indem er die Arbeiten während der Ausstellungsdauer sukzessiv dem Tageslicht aussetzt. Beispielsweise blieb die Fotoarbeit „Repixel“ bis zum Ausstellungsbeginn konsequent abgedeckt, um sie erst zur Vernissage dem Veränderungsprozess durch Tageslicht zu überlassen. Das gepixelte Bild wurde mit einzelnen Quadraten aus teilweise entwickeltem und fixiertem Silbergelatinepapier nachgebildet.

In der Raummitte des vorderen Raumes steht ein Plexiglaskasten auf einem Holzsockel, in dem sich lichtempfindliche Papiere befinden. Die Besucher sollen bewusst in diese künstlerische Arbeit und in die Belichtungsprozesse der Papiere eingreifen, indem sie das oberste Blatt abnehmen und das nächste Blatt dem Tageslicht freigeben.

Im hinteren Raum zeigt der Künstler mehrere kleinteilige Serien, vier Zeichnungen mit Chinatusche und eine Videoarbeit. Sämtliche Arbeiten Johnny Linders sind von zarter zurückhaltender Ästhetik mit einem großen malerischen Potenzial.

Johnny Linder wurde 1991 in Süddeutschland geboren. Der Künstler beschäftigt sich seit 2012 durch einen einjährigen Frankreich-Aufenthalt mit dem Thema Fotografie, damals der analogen Fotografie. Von 2013 bis 2018 hat Johnny Linder in Gießen Kunst und Französisch auf Lehramt studiert. Im April 2019 war er schon einmal in der KWS Art Lounge NEWCOMER in Einbeck zu Gast, damals jedoch als Eröffnungsredner für seine Studienkollegen bei der Gemeinschaftsausstellung „Rare, medium oder well done“. 2018/2019 übernimmt der Künstler die Betreuung des analogen Fotolabors am Institut für Kunstpädagogik in Gießen und absolviert den Master of Arts im Fach Kunstpädagogik. Zusätzlich arbeitet Johnny Linder freischaffend, übernimmt Lehrtätigkeiten im Bereich Kunst und kameraloser Fotografie und erhält zahlreiche Stipendien, beispielsweise vor drei Jahren das Katalogstipendium des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Seit 2021 studiert Johnny Linder Bildende Kunst und Fotografie an der Wiener Universität für Angewandte Kunst in der Klasse Gabriele Rothemann. Dort wird die Fotografie frei für künstlerische Ideen eingesetzt, um individuelle Wege der Bildfindung und eigene künstlerische Positionen zu entwickeln

Geöffnet ist die NEWCOMER KWS Art Lounge mittwochs von 10 bis 13 Uhr, freitags von 15 bis 18 Uhr und sonnabends von 10 bis 13 Uhr. Es gelten die aktuellen Corona-Regeln.

Über KWS*


KWS ist eines der führenden Pflanzenzüchtungsunternehmen weltweit. Mehr als 5.500 Mitarbeiter in 70 Ländern erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2018/2019 einen Umsatz von 1,1 Mrd. Euro und erzielten dabei ein Ergebnis von 150 Mio. Euro vor Zinsen und Steuern (EBIT). Seit mehr als 160 Jahren wird KWS als familiengeprägtes Unternehmen eigenständig und unabhängig geführt. Schwerpunkte sind die Pflanzenzüchtung und die Produktion sowie der Verkauf von Mais-, Zuckerrüben-, Getreide-, Raps-, Sonnenblumen- und Gemüsesaatgut. KWS setzt modernste Methoden der Pflanzenzüchtung ein, um die Erträge der Landwirte zu steigern sowie die Widerstandskraft von Pflanzen gegen Krankheiten, Schädlinge und abiotischen Stress weiter zu verbessern. Um dieses Ziel zu realisieren, investierte das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr rund 200 Mio. Euro in Forschung und Entwicklung.


* Alle Angaben ohne die Anteile der at equity bilanzierten Gesellschaften AGRELIANT GENETICS LLC., AGRELIANT GENETICS INC. und KENFENG – KWS SEEDS CO., LTD.

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