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Ein Feld mit Zukunft: Künstliche Intelligenz für besseres Saatgut

Beim Züchten von Saatgut gewinnt künstliche Intelligenz an Bedeutung. Mit einem neuen Roboter klärt KWS derzeit in den USA, wie sich Pflanzenmerkmale automatisiert und präzise erfassen lassen, um daraus Rückschlüsse für mehr Ertrag und bessere Resistenzen in der Landwirtschaft zu ziehen.

Nur ein dünner Mast mit einer schwarzen Röhre wackelt zwischen den Weizenähren umher; mehr ist von TerraSentia vom Rand des landwirtschaftlichen Feldes aus nicht zu sehen. Der kniehohe Roboter fährt elektrisch angetrieben und per GPS gesteuert durch ein akkurat angelegtes Versuchsfeld bei Champaign nahe Chicago im US-Bundesstaat Illinois. Erdklumpen und Furchen auf dem Acker überwindet der Roboter auf seinen vier zackigen Rädern fast mühelos und zieht pausenlos seine Bahnen.

Der Roboter unterstützt die Züchter bei ihrer Arbeit an Pflanzen, denen Schädlinge weniger ausmachen, die besser an den Klimawandel angepasst sind sowie Landwirten den Ertrag sichern und ihn weiter steigern.

Bei ihrer Arbeit stehen Züchter vor vielen Herausforderungen. Eine davon: Sie brauchen möglichst viele Informationen zu den Hunderten Sorten und mehr als zwanzig Fruchtarten, die KWS anbietet und weiterzüchtet. Dazu zählen Zuckerrüben, Weizen, Mais, Raps oder Sorghum. Seit jeher prüfen die Experten von KWS jährlich Millionen Pflanzen auf Zehntausenden Testparzellen.

Das verursacht viel Arbeit, kostet Zeit und Mühe. „Und trotzdem können die Züchter immer nur einen kleinen Teil einer Parzelle im Auge behalten“, sagt Jia Yan, Projektleiterin für digitale Innovationen bei KWS. „Besser wäre es, die Pflanzen fortlaufend im Auge zu haben und zu sehen, wie sie sich im Feld bewähren.“ Woher soll aber die Zeit kommen, um möglichst noch mehr Ähren, Blätter oder Sprosse zu erfassen als bisher, und das in kurzen Abständen und in den vielen Ländern, in denen KWS züchtet?

Bilder durch autonomen Roboter

Auf dem Feld in Illinois nutzen die Züchter den Roboter TerraSentia. Entwickelt und gebaut hat ihn das Start-up EarthSense der Universität von Illinois in Urbana-Champaign.

In der Röhre auf dem Mast sind zwei Kameras verbaut, die während der Fahrt des Roboters pausenlos Detailaufnahmen des Weizenfeldes aufzeichnen. Der Roboter speichert außerdem exakt, von welchem Ort die Aufnahmen stammen. Die Züchter wissen dann, auf welchen der vielen Parzellen die Ähren in welcher Entwicklungsphase sind, zum Beispiel dem Ährenschieben. Bislang ist dieses Sichten eine Arbeit für Menschen, die dafür immer wieder raus aufs Feld müssen, egal bei welchem Wetter.

Training für künstliche Intelligenz

Herzstück des Systems ist aber gar nicht der vierrädrige Roboter, sondern eine Software mit künstlicher Intelligenz auf den Rechnern von KWS und EarthSense. Von künstlicher Intelligenz ist immer dann die Rede, wenn eine Maschine Ergebnisse hervorbringt, die sonst nur intelligenten Lebewesen wie dem Menschen zugesprochen werden. Sie wertet die Aufnahmen des Roboters aus und erkennt darauf, was die Züchter interessiert. Zum Beispiel, ob eine Ähre an einem Halm bereits voll ausgebildet oder teilweise noch von schützenden Blättern umgeben ist. Das sind für Züchter relevante Informationen.

Damit das gelingt, muss die Software zunächst trainiert werden – denn sie erkennt Pflanzen zunächst nicht von allein. Weizenzüchterinnen und -züchter wie Jana Murche und Mark Christopher sichten dafür die Bilder, die der Roboter aufgenommen hat. Wichtige Merkmale darauf sind unter anderem Blattform und -farbe, Wachstumsgeschwindigkeit, Höhe, Dicke und Länge der Stängel. Auch das von den Blättern reflektierte Licht interessiert die Züchter, um Rückschlüsse auf mögliche Krankheiten zu ziehen.

Und dann „füttern“ Datenwissenschaftler die Software mit den Informationen der Züchter. Sind auf den Bildern beispielsweise vollständig oder unvollständig ausgebildete Ähren zu sehen, dann bekommt die Software beigebracht, dass sie gerade vollständige oder noch bedeckte Ähren sieht.

Gute Ergebnisse mit künstlicher Intelligenz

Durch Wiederholung generiert die Software Wissen aus Erfahrung. Ihr neuronales Netz schafft sich dadurch ein Modell ihrer Umgebung. Sie tut das, was Menschen „lernen“ nennen. Hat die künstliche Intelligenz durch Training und den Menschen genug Wissen erlangt, gleicht sie nun neue Bilder damit ab und handelt. Im Fall des Roboters bewertet sie also die Aufnahmen der Pflanzen, ohne dass ein Mensch noch helfen muss.

Das heißt aber auch: Geht es nicht mehr um Weizen, sondern etwa um Zuckerrüben, muss der Mensch der Maschine wieder die entscheidenden Unterschiede beibringen. Für jede neue Anwendung gilt es, das neuronale Netz neu zu trainieren.

Bereits die Ergebnisse in der ersten Version des Systems zeigen, dass der Algorithmus schon jetzt präzise arbeitet: Die künstliche Intelligenz erkennt vollständige Ähren mit einer Sicherheit von 96 Prozent. Ob eine Ähre vollständig mit Grannen – also den langen Fortsätzen der Körner – besetzt ist, lässt sich zu 92 Prozent sicher sagen.

Nun wird das System beständig verbessert. Ziel ist es, dass TerraSentia mühelos täglich über das Feld fahren kann, um noch bessere Daten zu liefern. Wenn nötig auch zweimal. Oder dreimal. „Das wird uns fundiertere Auswahlentscheidungen ermöglichen“, sagt Weizenzüchter Mark Christopher, „insbesondere in unserer Zuchtgärtnerei mit Hunderttausenden einzelnen Reihen, in denen es uns bisher einfach nicht möglich war, diese Daten zu erheben.“

Der Mensch bleibt entscheidend

Das Beispiel zeigt aber auch: „Die Technik wird die Erfahrung der Züchter nicht ersetzen“, so Projektleiterin Jia Yan. Künstliche Intelligenz und Roboter können Züchter unterstützen, weil diese ihre Entscheidungen dann auf eine breitere Informationsbasis gründen können. „Nur unsere Züchter können das System aber so trainieren, dass es die richtigen Informationen präzise liefert.“ Durch die Kombination menschlicher und künstlicher Intelligenz werde der Prozess des Züchtens schneller und zuverlässiger. Die Arbeit mit künstlicher Intelligenz und autonomen Robotern ist daher ein wichtiger Teil der Forschungsstrategie von KWS.


Zahl der Roboter beliebig erweiterbar

Je mehr Roboter auf den Feldern zum Einsatz kommen, desto mehr Daten gewinnen auch die Züchter. TerraSentia kann auf vielen Feldern fahren, und auch herstellen lässt er sich vergleichsweise einfach. Das Vorgängermodell kam sogar aus einem 3-D-Drucker. Die Technik zum Navigieren und digitale Kameras sind mittlerweile weit verbreitet und standardisiert. Damit ließe sich die Zahl der Roboter rasch vergrößern. Die Rechenkraft zum Anlernen und Betreiben eines neuronalen Netzes lässt sich je nach Bedarf per Mausklick in der Cloud organisieren. Experten sagen dazu, dass das System skaliert.

Gleichzeitig arbeiten weltweit viele Forscher daran, die Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz zu erweitern – zum Beispiel, um die Zahl der erforderlichen Trainingsbilder zu reduzieren. „Noch trainieren wir unser System und setzen es noch nicht kommerziell ein“, sagt Jia Yan. „Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wie uns der Roboter und die künstliche Intelligenz beim Züchten unterstützen werden.“

Phänotypisierung: Blick auf die Pflanze

Geht es um Wohl und Wachstum einer Pflanze, müssen Züchter sie immer wieder begutachten – und zwar draußen auf dem Feld. Also dort, wo sie mit ihrer genetischen Ausstattung, ihrem Genotyp, unter Einflüssen der Umwelt wächst.

Dafür ist viel Zeit notwendig, aber auch viel züchterische Erfahrung, um die vorhandene oder gewünschte Merkmalausprägung der Pflanze – ihren Phänotyp – zu beurteilen und entsprechend züchterisch reagieren zu können.

Bei alledem kann die moderne Technik helfen und zusätzliche Informationen liefern. KWS investiert daher viel Arbeit in die Entwicklung von neuen Methoden, um bestimmte Merkmale von Pflanzen automatisch zu erfassen. Vom Boden und aus der Luft werden beispielsweise Bilder von Feldern oder Parzellen aufgenommen. Am Computer lassen sich daraus Rückschlüsse auf Merkmale ziehen. Dafür ist eine enge Kooperation zwischen IT-Spezialisten und erfahrenen Züchtern notwendig.

Was bedeutet künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI) war über lange Zeit ein reines Forschungsgebiet. Was vor einigen Jahren noch der Blick in eine ferne Zukunft war, ist in der vergangenen Zeit immer konkreter geworden – etwa bei Sprachassistenten, Sprachübersetzungen, autonomen Fahrzeugen oder dem Erkennen von Krankheiten wie Krebs. Maschinen können zunehmend Aufgaben übernehmen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren.

Damit künstliche Intelligenz funktioniert, braucht sie große Datenmengen, für gewöhnlich als Big Data bezeichnet. Grob lässt sich KI in drei Bereiche aufteilen:

  • In die Wahrnehmung – etwa durch Sprach-, Text- und Gesichtserkennung.
  • In das Lernen – wie sogenanntes tief gehendes Lernen (Deep Learning) und maschinelles Lernen.
  • In das Handeln – also zum Beispiel den Einsatz von Robotern wie TerraSentia.

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Christina Schulze
Christina Schulze
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