Precision Farming: Wie Landwirte von Drohnen in der Pflanzenzüchtung profitieren

Die Zukunft der Züchtung kommt unter anderem aus der Luft: Um noch schneller als bisher zu neuen Sorten zu kommen, setzt KWS auf den Einsatz von Drohnen über seinen Feldern. Die am Computer ausgewerteten Bilder ihrer Kameras erlauben präzise Erkenntnisse über das Pflanzenwachstum. Das hilft dabei, den Landwirten schneller als bisher neues Saatgut anzubieten – ein großer Vorteil für die Landwirtschaft.

Die Luft vibriert. Es klingt, als nähere sich ein Schwarm Bienen. Für einige Sekunden machen die vier Rotoren von Marius Burkhardts knallorangem Fluggerät zwischen den Versuchsparzellen von KWS im niedersächsischen Einbeck so viel Wirbel, dass sich die Pflanzen am Boden im Luftzug biegen.

Dann steigt die Drohne in luftige Höhen auf und zieht deutlich leiser mathematisch präzise Bahnen über das Feld, auf dem einige Zentimeter hohe, noch zarte Maispflanzen wachsen. Ihretwegen hat der Vierzigjährige an diesem Morgen den Quadrocopter in den Himmel über Einbeck geschickt.

Unter dem Fluggerät hängen gleich mehrere Sensoren, die die Pflanzen auf dem Feld aufnehmen, um ihr Wachstum zu erfassen. Mit einer vollen Akkuladung, die für eine knappe halbe Stunde Flugzeit reicht, erfasst die Drohne systematisch zwischen drei und acht Hektar, je nach Anwendung und abhängig von Flughöhe, Sensoren sowie Flugplan. Eine Multispektral- und eine Wärmebildkamera messen dazu in verschiedenen Wellenlängenbereichen die Lichtmenge, die von den Pflanzen reflektiert und absorbiert wird. Hinzu kommen die Fotos des Feldes.

Drohne und Bildanalyse: Hilfsmittel für optimale Züchtung

Experte Marius Burkhardt überwacht, dass die Fotos konstant aus einer Flughöhe von 25 Metern entstehen. Nur dann kann die Software später die genaue GPS-Position jeder Pflanze ermitteln und von jedem einzelnen Exemplar ein 3-D-Modell erstellen.

Durch diese Verbindung aus technischer Innovation und züchterischer Erfahrung kann es gelingen, neue, krankheitsresistente Pflanzensorten in kürzerer Zeit zu züchten als bisher. Schließlich soll das Saatgut auch unter schwierigsten Bedingungen im Ackerbau Pflanzen mit hohen Erträgen hervorbringen.

„Landwirte wollen mit Saatgut arbeiten, das genau ihren individuellen Anforderungen entspricht“, sagt Dr. Christoph Bauer, der als verantwortlicher Leiter der Technologienentwicklung zur digitalen Phänotypisierung bei KWS die Drohnenflüge und die Auswertung der dabei gewonnenen Daten koordiniert. Die neuen, bei KWS selbst entwickelten digitalen Werkzeuge unterstützen die Züchter dabei, unter Hunderttausenden Pflanzen die für ihre weitere Arbeit am besten geeigneten herauszufinden. „Das hilft unseren Züchtern, die besten Pflanzen ausfindig zu machen“, sagt Bauer. „Drohnen und Bildanalyse werden deshalb zu immer wertvolleren Hilfsmitteln.“

Precision Farming: Mehr Genauigkeit in der Landwirtschaft

Das Verfahren dahinter ist so alt wie die Pflanzenzucht selbst: Mithilfe der sogenannten Phänotypisierung lässt sich etwa die Frage beantworten, ob neue Sorten mit den Umweltbedingungen an einem Standort zurechtkommen. Oder ob und wo sie von Schädlingen befallen werden.

„Fachleute von KWS sind seit mehr als 160 Jahren auf Feldern unterwegs, um Pflanzen zu begutachten“, sagt Bauer. „Das ist für die Entwicklung neuer Sorten unverzichtbar.“ Jedes Jahr säen Züchter neue Pflanzen aus und beurteilen dann, wie sich diese auf dem Feld entwickeln. Sie erfassen Größe, Farbe, Wachstumsrate, die Zahl und Form der Blätter und weitere Merkmale. Letztlich können Züchter so in vielen kleinen, oft sehr arbeitsaufwendigen Schritten Sorten liefern, die optimal auf die Bedürfnisse des Landwirts angepasst sind.

Die Luftaufnahmen und ihre Softwareauswertung beschleunigen diesen Prozess deutlich. Und sie haben noch weitere Vorteile für den Landwirt, sagt Technologe Bauer. Pilzbefall, trockene Bereiche, geringer Chlorophyllgehalt: Nichts bleibt den digitalen Sensoren verborgen. Und weil Messgeräte und Software nicht ermüden, sind die Analyseergebnisse zur Wachstumsgeschwindigkeit der Pflanzen, ihrer Blattzahl und Blattgröße vielfach präziser und schneller verfügbar als ohne technische Hilfe.

Konkret geht es beispielsweise um Ungenauigkeiten des menschlichen Auges, sagt Bauer: „Wenn mehrere Menschen durch ein Feld laufen und die Entwicklung des Blattapparates bewerten sollen, kommen zwar meist sehr ähnliche, aber doch leicht unterschiedliche Ergebnisse heraus.

Genau solche Unterschiede solle die stets objektive Technik verhindern – und dabei zugleich ihre Geschwindigkeitsvorteile ausspielen: „Kein Mensch kann in derart unbestechlicher Objektivität solch riesige Flächen beurteilen.“

  • Kein Mensch kann in derart unbestechlicher Objektivität solch riesige Flächen erfassen.

    Dr. Christoph Bauer, Leiter Phänotyping Technologies KWS
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Hunderte Drohnenfotos, eine Gesamtaufnahme

Pflanzenzüchter bleiben trotz Drohnen und Software unerlässlich. Zum einen müssen sie die Messungen kalibrieren: „Für uns Menschen ist es natürlich eine leichte Übung, zwei Rüben- oder Maispflanzen auseinanderzuhalten“, sagt Bauer. „Dieses Wissen an Maschinen zu übertragen macht aber viel Arbeit.“

Ein Beispiel: Morgens und abends steht die Sonne besonders tief über den Feldern, ihr Licht ist dann rötlicher als noch am Mittag. Wenn die Sonne um 12 Uhr mittags dagegen sehr hoch am Himmel steht, ist der Anteil blauen Lichts höher. Liegt an trockenen Tagen morgens noch Staub auf den Blättern, der am Nachmittag von einem Regenguss weggespült wird, ändert sich die Optik innerhalb eines Tages erneut. Oder wenn Schatten morgens und mittags anders fallen. „Das alles müssen wir berücksichtigen und korrigieren“, sagt Bauer. „Nur dann können wir den Zustand der Pflanzen und Blattkrankheiten einwandfrei erkennen.“

Und Menschen sind auch beim Bewerten und Nutzen der Ergebnisse unverzichtbar. Nach der Rückkehr vom Feld speist Drohnenpilot Burkhardt die Aufnahmen in die Auswertungssoftware ein. Sie setzt Hunderte Fotos zu einer Gesamtaufnahme zusammen. Auf dem virtuellen Acker am Bildschirm spannen sich feine Linien in Grün, Rot und Blau. Das Team diskutiert dann die Daten: Wie ist die mittlere Blattfärbung? Wie viel Fläche nehmen die Pflanzen ein? Und was bedeutet das für die weitere Züchtung? Erfolge und Herausforderungen sollen hier konkret sichtbar werden.

Interdisziplinäre Forschung zur Phänotypisierung bei KWS

In der zu KWS gehörenden interdisziplinären Arbeitsgruppe, die sich mit den Drohnenaufnahmen beschäftigt, arbeiten unter anderem mehrere Spezialisten für die Bildanalyse. Christoph Bauer, Physiker, leitet sie. Seine Mitarbeiter und deren Technologien sind weltweit auf Zuchtstationen im Einsatz und haben bereits viele positive Erfahrungen gesammelt: „Wir haben unsere Stärken aus dem Input von Züchtern, Biologen und Ingenieuren kombiniert“, sagt Bauer. „So kam der gemeinsame Erfolg bei der Analyse der Daten.“

  • Bei KWS arbeiten Kollegen aus vielen Fachbereichen eng zusammen.

    Marius Burkhardt, KWS Drohnenspezialist
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Der Weg ins Feld gehört für die Pflanzenzüchter weiterhin zwingend zum Beruf: Die Bedingungen der Messungen müssen sie vor Ort kontrollieren, die Schlussfolgerungen für die Züchtung aus der persönlichen Betrachtung ableiten. „Den Menschen werden wir niemals ersetzen“, sagt Christoph Bauer. „Aber unsere selbst entwickelte Technik wird die Kollegen bei ihren Züchtungsentscheidungen unterstützen.“

Schadbild-Finder bei myKWS

Hohes KWS Forschungsbudget für Precision Farming

Drohnen fliegen inzwischen bei immer mehr Landwirten über den Feldern. Precision Farming hilft dabei, Rehkitze und Maulwürfe vor den Erntemaschinen zu retten, drohende Trockenheit frühzeitig zu erkennen und Maulwurfshügel als unwegsames Terrain zu kartografieren, um Rückschlüsse auf mögliche Ernteeinbußen ziehen zu können. Das komplexe System aus Drohne, Sensoren, Software, Bilderkennung und Servern, das KWS für die Pflanzenzüchtung einsetzt, wird kontinuierlich optimiert. Im Geschäftsjahr 2016/2017 lag das Forschungsbudget bei rund 190 Millionen Euro, etwa 17 Prozent des Umsatzes.

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