Wie funktioniert Hybridzüchtung? Wie eine Hybridroggensorte entsteht, erfahren Sie hier.
Roggen ist sowohl ein wertvolles Nahrungsmittel wie auch Futtermittel und eignet sich ebenso als Energieträger in der Ethanol- oder Biogaserzeugung. Für den Landwirt stehen verschiedenste Hybridroggensorten zur Auswahl. Wie funktioniert Hybridzüchtung? Wie eine Hybridroggensorte entsteht, erfahren Sie hier.
Zuchtziele für Hybridroggen:
- Ertragspotenzial und –stabilität: Kornertrag, Trockenresistenz, Standfestigkeit und TKG
- Krankheitsresistenzen: Mutterkorn, Braunrost, Mehltau und Rhynchosporium
- Qualität: Hektolitergewicht, Mehlausbeute, Fallzahl, Rohproteingehalt, Amylogramm-Werte, Stärkegehalt
Für die Bemühungen im Bereich des GPS-Hybridroggens gelten als Zuchtziele vor allem Biomasse-Ertrag, Methanausbeute und die Vegetationszeit bis zur Milchreife.
Die Formel für eine Roggenhybride scheint recht simpel zu sein, dahinter stecken aber viele Jahre intensive Züchtungsarbeit.
Roggenhybride=(ACMSx B) x R-SYN
Dies bedeutet:
(ACMS x B)
Mutter (Saatelter): eine Kreuzung zwischen einer Inzuchtlinie mit CMS-Plasma und einer Inzuchtlinie mit Normalplasma. CMS-Plasma bedeutet, dass die Pflanzen ein Zellplasma enthalten, welches bewirkt, dass der Saatelter selbst keinen Pollen bildet. Diese Eigenschaft wird benötigt, damit die Befruchtung des Fremdbefruchters Roggen gezielt gelenkt werden kann.
R-SYN
Vater (Pollenelter): eine synthetische Population, die häufig aus zwei Elternkomponenten besteht und Restorergene trägt. Diese Restorergene ermöglichen eine Restauration (Wiederherstellung) der Fruchtbarkeit des Kreuzungsproduktes aus Saat- und Pollenelter. Dies ist notwendig, da nur durch diese Wiederherstellung das ausgesäte Hybridroggensaatgut Körner bildet.
Ausgangskreuzungen
Zuerst müssen Ausgangskreuzungen bester Eltern hergestellt werden. Dies geschieht durch gezielte, manuelle Kastration und Kreuzung ausgewählter Eltern unter Tüten. Die Kreuzungsnachkommen werden nachfolgend unter Tüten geselbstet (Befruchtung mit Pollen von der eigenen Pflanze), um Inzuchtlinien zu entwickeln.
Diese Inzuchtlinien werden in kurzen Einzelreihen auf wichtige agronomische Merkmale selektiert, wie zum Beispiel Standfestigkeit, Vitalität, TKG und Resistenzen.
Die somit ausgewählten Linien werden dann mit Pflanzen des entgegengesetzten genetischen Pools (Saat- bzw. Pollenelter) gekreuzt, um Hybrid-Kandidaten zu produzieren, die in mehrortigen Leistungsprüfungen getestet werden. Dabei wird neben den oben genannten Merkmalen auch der Ertrag erfasst und als Selektionsgrundlage genutzt. Vielversprechende Kandidaten werden nach mehrjähriger Prüfungszeit für die offizielle Wertprüfung beim Bundessortenamt angemeldet.
Dass die Hybridroggenzüchtung in den Bereichen Ertrag und Mutterkorn in den letzten Jahren deutlichen Zuchtfortschritt zeigen konnte, können Sie unter Ertragsfortschritt und Mutterkorn detaillierter erfahren.
Praxiserträge
Praxiserträge werden in Deutschland vom statistischen Bundesamt jährlich veröffentlicht. Wichtig zu wissen ist, dass bei dieser Erhebung trotz deutlicher Ertragsunterschiede keine Unterscheidung zwischen Populationsroggen und Hybridroggen vorliegt. Der von uns geschätzte Hybridroggenanteil an der Roggen-Anbaufläche beträgt aktuell zwischen 75 und 80 % und wirkt sich demnach nur zu diesem Anteil auf die dargestellte Ertragsentwicklung aus.
Betrachten wir den Durchschnitt der Roggen-Praxiserträge für Deutschland in den letzten gut 20 Jahren, dann zeigt sich, dass die Erträge zwischen 39 und 61 dt/ha schwanken (Abbildung 1). Deutlich zu erkennen sind die unterdurchschnittlichen Erträge in den Trockenjahren 2003, 2007, 2010 und 2011. Anhand der eingezeichneten Trendlinie wird jedoch deutlich, dass es insgesamt einen Ertragsfortschritt beim Roggenanbau in der Praxis gibt.
Züchtungsfortschritt
Der Züchtungsfortschritt bei den Hybridroggensorten lässt sich anhand von Daten aus den deutschen Wertprüfungen sehr gut nachweisen. In der Abbildung 2 sind die Ergebnisse aller in dem jeweiligen Jahr geprüften Hybrid- bzw. Populationssorten miteinander verrechnet. Es ist anhand der Trendlinie deutlich zu erkennen, dass der Zuchtfortschritt bei Hybridroggen größer ist als bei Populationsroggen.
Ein wesentlicher Grund für den Unterschied im Zuchtfortschritt zwischen Populations- und Hybridroggen ist der Heterosiseffekt, von dem die Hybridzüchtung profitiert. Bei dieser können Eltern mit günstigen, einander ergänzenden Genen bzw. Eigenschaften gezielter kombiniert werden, woraus sich ein höherer Zuchtfortschritt und somit eine Mehrleistung im Ertrag und anderen agronomischen Merkmalen ergeben. Da Hybridroggensorten genetisch breit aufgebaut sind, ist deren Anpassungsfähigkeit sehr gut und günstige Umweltbedingungen können genutzt und schlechte abgepuffert werden.
Drei einfache Gründe, wieso die Steigerung der in der landwirtschaftlichen Praxis beobachteten Erträge geringer als der Zuchtfortschritt sein kann
Populationsroggenanteil
Auf ca. 20 – 25 % der Roggenanbaufläche wird in Deutschland Populationsroggen angebaut. Wie in der Abbildung 2 erkennbar ist, hatte dieser Roggentyp jedoch in den letzten Jahren einen geringeren Zuchtfortschritt. Auch auf schwächeren Standorten liefert der Hybridroggen aufgrund seiner Ökostabilität höhere Erträge.
Marktpreise und daraus folgende Intensität
Innerhalb von 23 Jahren, die in Abbildung 1 dargestellt sind, gab es immer wieder Phasen mit geringen Marktpreisen. Diese bewirken, dass die Intensität der Produktion verringert und damit das Ertragspotenzial der Sorten nicht voll ausgeschöpft wird. Zudem verringern sich in solchen Jahren die Anbauflächen und der Roggen wird auf Standorte mit geringerem Ertragsniveau zurückgedrängt.
Witterungsextreme
In Deutschland sind in den letzten Jahren zunehmend Witterungsextreme aufgetreten, die sich für den Roggenanbau vor allem durch Frühjahrstrockenheiten gezeigt haben. Diese Ereignisse treffen grundsätzlich alle Getreidearten. Besonders betroffen sind aber die leichten Standorte, auf denen der Roggen überwiegend angebaut wird.
Fazit:
Die Praxiserträge sind im Vergleich zum Zuchtfortschritt zusätzlich zur Genetik weiteren pflanzenbaulichen Faktoren unterlegen. Dank des oben beschriebenen Zuchtfortschritts hat sich das Ertragsniveau von Roggen seit Jahren trotz dieser Umstände erhöht. Mit dem Anbau von Hybridroggen können Sie also auch zukünftig vom Zuchtfortschritt profitieren.
Trockentoleranz (Roggenzüchtung)
Fortschritt durch modernste Selektionsmethoden: Trockenperioden nehmen durch den voranschreitenden Klimawandel immer mehr zu und der Ruf nach Sorten mit verbesserter Trockentoleranz wird lauter. Pflanzen reagieren auf unterschiedliche Weise auf Trockenstress. Um die Reaktionen zu erkennen, nutzen wir neben unserer züchterischen Erfahrung auch die neueste Messtechnik. Diese ermöglicht eine höhere Schlagkraft bei der Erfassung von Merkmalen.
Der Trockenstressversuch
1. Anlage des Versuches
Grundlage für eine bestmögliche Merkmalserfassung ist ein perfekt geplanter und angelegter Versuch. Für die Messungen liegen auf einer Fläche von ca. 5 ha mehrere Trockenstressversuche mit ca. 3000 Roggenparzellen. Der komplette Versuch unterteilt sich in eine bewässerte und eine unbewässerte Variante, wobei beide Varianten in einer Wiederholung immer nebeneinander liegen, um einen fairen Vergleich beider Varianten durchführen zu können.
Für die Bewässerung werden 12 -15 m lange Tropfschläuche pro Parzelle verlegt, sodass eine gleichmäßige Bewässerung in der Zielparzelle gesichert ist. Über eine zentrale Verteilerstation steuern wir den Wasserzufluss sehr genau.
2. Hochmoderne Erfassung von Pflanzenmerkmalen
Möglichst viele verschiedene Pflanzenmerkmale werden in unseren Versuchen erfasst. Besonders wichtig dabei ist, dass alle Merkmale über mehrere Wochen hindurch gemessen werden.
Um mit einem hohen Durchsatz von 750 Parzellen pro Stunde Pflanzenmerkmale zu charakterisieren, haben wir ein Spritzgestänge mit GPS, einem Spektrometer und einem Infrarotthermometer ausgestattet. Damit können wetterunabhängig agronomisch wichtige Eigenschaften wie Bestandesdichte, Blattfläche, Chlorophyllgehalte, Krankheiten bis hin zum Ertrag gemessen werden.
Eine Wetterstation misst parallel Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur sowie Einstrahlung und eine Bodensonde die Bodenfeuchte. Beide sichern die Informationen über die Umweltbedingungen an dem Versuchsstandort ab.
Die Herausforderung für uns besteht am Ende der Messungen darin, die erhaltenen großen Mengen an Daten miteinander zu verrechnen und anschließend zur Selektion nutzen zu können. Das erste Forschungsjahr hat gezeigt, welche Merkmalsbestimmung sinnvoll bzw. möglich ist. In dem groß angelegten mehrjährigen Forschungsprojekt des Julius-Kühn-Institut und der Universität Kiel zusammen mit der KWS Getreide arbeiten wir nun mit Hochdruck daran, die Messmethoden zur Anwendungsreife zu bringen. Der Fortschritt wird sich in ersten Hybridroggensorten mit ausgeprägter Trockentoleranz zeigen, die wir voraussichtlich 2018 auf den Markt bringen werden.