Wahrscheinlich ist die Tiefsee besser erforscht als das fein verzweigte Wurzelwerk von Pflanzen im Untergrund des Ackers. Dabei sind es die Wurzeln, die darüber entscheiden, wie gut Mais, Rüben oder andere Pflanzen Wasser oder Nährstoffe aus der Erde aufnehmen. Und damit auch ein Stück weit, wie stark der Landwirt bewässern oder düngen muss. Daher sind Wurzeln für die Züchtung trockentoleranter oder stickstoffeffizienter neuer Pflanzensorten ein bedeutender Faktor.
Wie gut kommen die Pflanzen mit Stress zurecht?
Zusammen mit seinen Kollegen klärt der Australier Benjamin Gruber in der Forschungsabteilung von KWS die Frage, wie sich das Wurzelwachstum beobachten, beurteilen und quantifizieren lässt. Sein Ziel ist es, hunderte Pflanzen in kurzer Zeit daraufhin zu prüfen, wie gut sie mit abiotischem Stress wie Trockenheit oder Nährstoffmangel zurechtkommen. Das ist eine der Voraussetzungen dafür, um in den Pflanzen neue Gene zu identifizieren, die für stabile Erträge und Trockentoleranz sorgen. Beides sind wesentliche Züchtungsziele von KWS.
Wurzeln und ihr Wachstum detailliert zu beobachten ist keinesfalls trivial: Unter einem Quadratmeter Getreideacker befinden sich oft 50 bis 90 Kilometer Wurzelwerk (bei Mais sind es rund 40 bis 60 Kilometer, bei Zuckerrübe 20 bis 50 Kilometer). Wurzeln von Zuckerrüben ragen bis zu fünf Meter tief in die Erde. Die feinsten Wurzelhaare sind durchweg dünner als ein menschliches Haar. Wie soll man sich ein genaues Bild davon machen?
Graben, spülen und vermessen
Ein bei Mais erprobter Ansatz folgt dem vergleichsweise einfachen, sogenannten „Shovelomics“-Ansatz: Die Pflanze mit der Wurzel daran wird bei dieser „Schaufel-Forschung“ schlicht ausgegraben und die Erde gründlich abgespült. Danach lässt sich die Wurzel mit Kameras und Software optisch vermessen. Aus vielen Bildern errechnen Spezialisten für Bildauswertung und Bioinformatiker dann Zahl und Dicke der Wurzeln oder ihren Winkel relativ zum Stamm der Pflanze.